Abendgebet
- R de Winter
- 7. Feb. 2019
- 3 Min. Lesezeit
Gedanken eines verkommenen Priesters
Das rote Kissen, auf welchem ich knie, schenkt mir Schutz vor dem kalten harten Boden. Der Marmorboden schweigt mir kühl entgegen, um doch auf Grund seines Ortes eine gewisse Wärme und Geborgenheit zu schenken. Die braune Tracht, deren süßlichen Duft, welche sie von der Umgebung angenommen hat, ich kaum noch wahrnehme, bedeckt meine alten knorpeligen Beine. Meine biologische Hülle verfällt. Habe ihr immer Brot, Wasser und Wein geschenkt – das Nötigste, um mir weiterhin eine Behausung zu ermöglichen. Mein Heim, in welchem ich leben darf, sollte die Botschaft den anderen menschlichen Geistern so übermitteln können. Durch Sprache, Gesten und Ruhe.
Ich sehe zu dem goldenen Kreuz empor und beginne mein Gebet: „Vater, ich habe gesündigt, mein Gelübde gebrochen. Des Körpers Gebrüll übertönte meine Vernunft, meine Hingabe, meine Versprechen, die innere Ausgeglichenheit. Ich schwöre bei dir, oh geliebter Vater, dass ich mich Jahre lang wehrte. Doch es trieb mich in den Wahnsinn. Des Teufels Rufe spielten mit der Liebe Schach. Letzte Nacht konnte ich kaum schlafen, Visionen rissen meine Seele immer wieder in die Realität zurück. Du wirst es vielleicht bemerkt haben, dass ich mich in die Kapelle unten im Schülerheim schlich, um Christis Blut aus dem bronzefarbenen Kelch in meinen trockenen Rachen zu schütten. Es war mir schon besser, da ich sein Blut mit des meinigen vermischen spürte und dadurch ruhiger wurde. Meine Verzweiflung wurde plötzlich mit jedem Schluck größer, weshalb ich noch weitere nahm. In der Hoffnung, dass die Vernunft des Schwurs wieder zurückkommen würde. Alles begann sich zu drehen. Ich sah Maria, Joseph und Jesus vor meinem geistigen Auge. Sie schienen mir jedoch von einer Sekunde zur nächsten mehr zu entgleiten. Ich brüllte in mich, sie sollten doch bei mir bleiben, doch sie verschwanden in der Ferne.
Am nächsten Morgen schrie mir Peters Seele seine Offenheit entgegen. Nie habe ich seine mir-entgegengebrachte-Liebe so vernommen. Er lächelte mir immerzu verschmitzt zu, der kleine Lauser. Neckte mich dann und wann er konnte. Es gefiel mir und das Gewissen, der Verstand, befand sich nun in der Mitte meines Körpers. Dieses biologische Teil regte sich und begann jedes Tröpfchen Blut an sich zu reißen. Der Drang machte mich unendlich wütend, dies wiederum projizierte ich auf den kleinen Peterle und ich wusste, die Stunde der Bestrafung hatte geschlagen. Er sollte gegen 15.00 Uhr in meinem Zimmer erscheinen, einen Aufsatz über die Liebe zu dir, oh Herr, mitbringen. Als er mir das Blatt Papier auf den Tisch legte, packte mich die Wut. So eine Teufels-Klaue hat sich mir zuvor noch keiner vorzulegen getraut. Ich wusste, dass er es genauso wollte wie meine nie gelebte Phantasie. Also verschloss ich das Zimmer und befahl ihm sich seiner Hose zu entledigen. Sein Wimmern lies mich erbeben, der Drang übermannte nun meine ganze Hülle, weshalb die Strafe diesmal eine andere Prozedur werden müsste. Er sollte sie in sich spüren! Die Boshaftigkeit seines Geistes musste herausgedrückt werden. Ach, wie klein bei Peter noch alles ist. So unschuldig und doch so schuldüberhäuft. Seine Stimme verformte sich, man hörte den Teufel selbst. Sein Weinen glich Satans Krächzen. Der Exorzismus hatte begonnen und du darfst stolz sein, Peterle ist nun ruhiger denn je.
Nun höre ich jedoch den Teufel in mir. Sein Lachen jagt mich zur nächsten Tat. Getrieben von der Vorstellung ihn wem anderen zu übertragen. Oh Herr, höre mein Klagen! Warum verlangst du ewige Keuschheit? Weshalb hast du dadurch den Teufel an mich reißen lassen? Ewigkeiten hatte ich mich dir verschrieben und möchte doch wieder zu dir finden. Die Anklage der Menschheit übermannt mich, vor meinem Gewissen flüchte ich. Vater, höre doch mein Geschrei. Ich gehe hier unter deinem Dach zu Grunde. Gib mir ein Zeichen. Entlaste mich. Befreie mich von meiner Schuld!“ (2010)





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